Episode Transcript
[00:00:01] Speaker A: Ich glaube, die Intuition wird gerne unterschätzt. Es wird gerne abgetan als ja, das ist ja nur ein Gefühl oder nur ein Bauchgefühl. Und ich glaube, das ist unglaublich wichtig, die Intuition ernst zu nehmen und das auch bewusst als Gegensatz zu diesen ganzen rationalen Mechanismen, die auch wichtig sind zu Dinge müssen sich richtig anfühlen und die sind dann meistens auch richtiger, besser, kohärenter. Und das erfordert natürlich dann viel Mut, dann auch zu seiner Intuition zu stehen.
[00:00:33] Speaker B: Willkommen bei Chapter Talks Design, einem Podcast des Chapter Magazins. Wir sprechen mit führenden Persönlichkeiten aus unterschiedlichsten Designdisziplinen, von Mobility über Industrie und Produktdesign bis hin zu Architektur. Unsere Gäste erzählen von Designphilosophien, ihre Inspirationsquellen und persönlichen Erfolgsgeschichten.
Mein Name ist Timo Schmid, ich bin Design Director bei Chapter und unser heutiger Gast ist Felix Gilbertus, chief Creative officer bei Pininfarina, dem traditionsreichen italienischen Designstudio und Karosseriebauunternehmen. Felix Gilbertus absolvierte ein Studium in Transportation sowie Industrial Design und startete anschließend eine bemerkenswerte Karriere in der Automobilbranche, wo er zuletzt als Head of Exterior Design bei Rolls Royce Motorcars tätig war.
In seiner aktuellen Rolle bei Pininfarina verantwortet er nun weit mehr als nur automobile Gestaltung. Das Portfolio des legendären Designstudios reicht von Architektur über Produkt und Int bis hin zu Bahn und Yachtdesign. Stets getragen von dem Anspruch, Form, Funktion und kulturelle Relevanz in ein stimmiges Ganzes zu überführen.
Felix, schön, dass du heute hier bist. Willkommen bei Chapter Talks Design.
Bevor wir gleich tiefer einsteigen, du hast ja einen interessanten Werdegang hinter dir oder bist noch mittendrin in deinem Werdegang von internationalen Luxusmarken bis jetzt hin zur Rückkehr zu einem der wirklich großen Namen des Designs. Man hat das Gefühl, du bewir sich ganz selbstverständlich zwischen Tradition und Zukunft.
Wir sind ganz gespannt, heute mehr darüber zu hören.
[00:02:09] Speaker A: Hallo Timo, freut mich, hier zu sein. Danke für die Einladung.
[00:02:13] Speaker B: Was würdest du denn sagen, gibt es bei dir so einen gestalterischen Kompass und wie würdest du den denn selbst beschreiben?
[00:02:21] Speaker A: Gute Frage.
Ist natürlich eine große Frage. Ich glaube, grundsätzlich geht es immer um Neugierigkeit und um eine Offenheit. Und ich glaube, die gute Ästhetik oder interessante Ästhetik, ästhetische Phänomene gibt es ja in der gesamten Menschheitsgeschichte. Also von der Kunst über die Architektur über natürlich industrielle Gestaltung und Design.
Und ich glaube, es ist immer je tiefer man sich damit beschäftigt, desto interessanter wird die Auseinandersetzung mit diesen Themen. Darum ist es, glaube ich, wirklich eine Beschäftigung mit menschlicher Kreativität, mit menschlicher Neugier schlussendlich. Und das führt natürlich dann in verschiedene Ecken und Sektoren und Bereiche. Und das hat mir bisher immer Spaß gemacht, Neues zu entdecken oder neue Aspekte zu entdecken.
[00:03:13] Speaker B: Du bist ja in deiner aktuellen Position auch zuständig für, was man so kulturelle Relevanz nennt.
Wie manifestiert sich das denn in deinem aktuellen Job bei Pidenfarina?
[00:03:27] Speaker A: Es gibt natürlich verschiedene Aspekte von meiner Rolle und ein Teil davon ist natürlich auch in die Kommunikation zu gehen, eben auch bewusst zu erklär oder auch immer wieder neu aufzubereiten, neu zu interpretieren, woher denn diese Firma kommt. Das liegt, wie bei vielen Firmen natürlich auch an der Gründerpersönlichkeit. Wir haben da natürlich einen sehr interessanten Menschen, Batista Farina, der die Grundsteine für diese Firma gelegt hat vor mittlerweile 95 Jahren. Und da gibt es viel zu entdecken und eben auch viel neu zu interpretieren.
Ich bin jemand, der ungern über das Thema Retro spricht. Das Thema ist mir rein vom Wesen her immer ein bisschen suspekt zurückzublicken. Aber was interessant ist sozusagen in der Beschäftigung mit den Grünen der Persönlichkeiten, ist sozusagen diesen Founder Spirit zu definieren, zu verstehen, woran lag es diesen Menschen, wie haben die sozusagen ihre Welt interpretiert. Und da entdeckt man unglaublich viel Modernität oft. Und diese Modernität gilt es dann neu zu interpretieren, neu zu übersetzen in die heutige Zeit oder eben auch in die Zukunft.
[00:04:34] Speaker B: Du hast ja schon eine langjährige Beziehung zu der Marke und zu der Firma. Du warst ja schon mal da vor rund 10 Jahren und bist jetzt wieder zurückgekehrt sozusagen. Was hat dich denn dazu bewogen?
[00:04:51] Speaker A: Also es war ganz klar die Herausforderung von einer neuen und auch von einer ganz anderen Rolle. Und das war ein Zurückkehren nach vielen Jahren. Also da war natürlich auch sechs Jahre bei Rolls Royce dazwischen und das war auch natürlich eine spannende und schöne Zeit mit dem tollen Team.
Und das ist immer auch ein Privileg sozusagen mit so einer außergewöhnlichen Marke in so einer Rolle arbeiten zu dürfen.
Was dann aber bei Piniferina sehr interessant ist, ist eben sich weiterentwickeln zu können, eben neue Aspekte lernen zu können und eben auch über das Auto hinaus das Thema Design ganzheitlicher wiederzusehen.
Mein Seo hat ein bisschen Scherz im Scherz gesagt. Du hattest ja 10 Jahre Zeit, dich auf diese Rolle vorzubereiten. Und das war natürlich ein guter Zeitraum, um in gewisser Weise zurückzukehren. Wobei die Rolle natürlich eine andere ist, wobei die Zeit eine andere ist, wo natürlich auch die Firma sich verändert hat. Und ich glaube, dass es ein Vorteil ist sozusagen, dass mit diesem zehnjährigen Abstand die Veränderungen besser zu sehen, die innerhalb der Firma stattgefunden haben und eben auch außerhalb der Firma.
Grundsätzlich ist die Firma natürlich, was die Kreativität betrifft, schon größer und vielfältiger geworden. Also wir haben heute als Team drei Studios weltweit. Wir arbeiten de facto rund um die Uhr in Shanghai, in Turin, in Miami.
Wir waren in China immer ein Pionier. Wir sind seit über dreiig Jahren tätig. Wir haben dieses Jahr eben auch unser jähriger Bestehen von einem eigenen Büro sind im April gerade neue Büros umgezogen, jetzt nochmals zentraler und besser angebunden.
Wir haben auch letztes Jahr unser zehnjähriges Bestehen von unserem Miami Office gefeiert, wo wir eben die Kunden aus Nord und Südamerika betreuen.
Und das macht es spannend, diese Rolle, also in einem sehr global tätigen Team. Es ist eines der größten Kreativbüros weltweit nach wie vor. Und wir sind eben in sehr vielen Sektoren oder Disziplinen tätig.
Und wir teilen das intern natürlich gerne in zwei Säulen auf, also in quasi zwei Business units. Das Thema Produktdesign und Architektur einerseits und Mobility Design. Und das bleibt, obwohl Architektur, und das freut uns natürlich sehr, sehr stark wächst, bleibt Mobility natürlich Kern und Herz von Pininfarina, von unserer Marke. Und das hat natürlich vielfältige Ausprägungen, eben Yachtdesign, Flugzeuge, Nutzfahrzeuge, Automobildesign in den ganzen klassischen Ausprägungen, Exterior Design, Interior Design, UX, CMF, aber auch eben Two Wheel Design.
Und heute sehen wir natürlich auch den Beginn von einer neuen Sparte, wenn man so will, einer Weiterentwicklung der Mobilität. Das ganze Thema New Mobility, also die Diffusion, wenn man so will, von Robotics, embodied AI, Autonomous Vehicles und eben auch die Welt dieser sogenannten VTOLs, Vertical Take Off and Landing Vehicles. Das ist natürlich unglaublich spannend und das ist was sicher ein Beweggrund, ein so tolles Team und auch so einen tollen Arbeitsgeber wie BMW Group nach sechs Jahren sozusagen zu verlassen und eben in diese Rolle, in diese Agenturrolle wieder einzutreten. Ist eine spannende Sache.
[00:08:18] Speaker B: Hast du denn das Gefühl, du hast dich in diesen 10 Jahren auf diese Position vorbereitet? Du hast jetzt gerade schon gesagt, was bei Peninferina passiert ist. Was ist denn bei dir in den 10 Jahren passiert?
[00:08:29] Speaker A: Also 10 Jahre sind natürlich eine lange Zeit, wo man viel Zeit hat, natürlich Dinge zu vergleichen. Und ich hatte vielleicht das Glück, sozusagen auch an verschiedenen Orten ähnliche Gestaltungsprozesse beobachten zu dürfen. Also zwischen meiner Zeit bei Renault Nissan in Japan und in Frankreich und dann eben auch in Turin, bei Fiat, bei Pininfarina und in den letzten sechs Jahren eben Standort München und auch Standort England mit Rolls Ro da lernt man natürlich sehr viel über Gestaltungsprozesse, über die verschiedenen Stakeholders, die da tatsächlich auch natürlich mitwirken, dass man als Gestalter nie alleine ist in einem Entwicklungsprozess. Das ist immer ein Netzwerk, es ist immer ein Team Effort, wenn man so will, im Gestaltungsteam, aber eben auch als Entwicklungsteam.
Und das braucht seine Zeit, bis man das auch tatsächlich versteht.
Das lernt man vielleicht auch nicht als junger Designer auf der Uni, da ist man vielleicht noch geprägt von Ideen, die eher mit dem künstlerischen Aspekt oder mit dem direkten ästhetischen Arbeiten zu tun haben, eben die Darstellungstechnik und die klassischen Skills. Aber die letzten 10 Jahre waren sicher eine Erfahrung in der Zusammenarbeit, in der Kommunikation, in den Prozessen, im Netzwerk einer Firma oder verschiedener Firmen.
[00:10:04] Speaker B: Wie würdest du denn da so den Kontrast zwischen einer Firma wie Rolls Royce, die ja wirklich sehr handwerklich geprägt ist, wo Tradition eine extrem große Rolle spielt, bei Pennyferina wahrscheinlich eher die Zukunft, die Innovation. Wie würdest du denn den Kontrast da auch im kreativen Arbeiten beschreiben?
[00:10:22] Speaker A: Ich glaube, man kann das auf zwei Ebenen betrachten. Einerseits in der Rolle, in meiner Rolle und anders als natürlich auch in der Ausprägung von einer Designabteilung innerhalb von einem sehr historisch relevanten Unternehmen wie Rolls Royce und eben auch einem mittlerweile doch auch historisch sehr, sehr tief verwurzelten Unternehmen wie Pininfarina.
Ich glaube, da gibt es gewisse Gemeinsamkeiten interessanterweise und natürlich große Unterschiede. Der Unterschied ist natürlich in der Arbeitsweise, das heißt die Rolle bei Rolls Royce, auch meine Rolle natürlich als Leiter Exterior Design, ist natürlich sehr vertikal, sehr spitz aufgestellt. Das heißt, ein kleines Team bearbeitet alle Elemente, die z.B. jetzt in dem Fall mit Karosseriegestaltung, mit Exterior Design zu tun haben. Das heißt, von der Leuchte bis zur Felge, bis zur Proportion, bis zur Flächengestaltung, aber auch das ganze Thema Vision und zukünftige Bandbreite, Produktstuhl Strategie und Proportionsausprägung von so einer Plattform haben wir sozusagen alles sehr, sehr spitz, vertikal als kleines Team bearbeitet. Piniferin ist natürlich in der Hinsicht in meiner Rolle das komplette Gegenteil. Das ist sehr horizontal ausgeprägt als Rolle. Das heißt, ich betrachte sehr viele Disziplinen in einem sehr breit aufgestellten Team mit auch natürlich stark wechselnden Entwicklungspartnern von verschiedenen Firmen, von verschiedenen Stakeholders in den verschiedenen Industrien. Also wirklich der komplett andere Rolle, komplett andere Ausprägung, was beide Marken oder wenn man Piniferina als Marke sieht, was beides Aktivitäten sozusagen verbindet, ist die Notwendigkeit, eine historisch relevante Marke immer ins Jetzt und in die Zukunft übersetzen zu müssen. Das heißt, eine starke Marke wie Rolls Royce ist nur deswegen heute noch stark, weil sie eben auch heute wieder Produkte entwickelt, die im Zeitgeist stehen, die jungen Kunden ansprechen. Und genauso muss Piniferi natürlich immer im Jetzt und im Morgen arbeiten, um relevant zu bleiben. Und das ist natürlich eine Herausforderung. Und jede Dekade, jede Generation sozusagen hat natürlich andere Anforderungen, andere Technologien, andere Techniken in der Gestaltung, andere Prozesse. Also es gibt kein Zurück, es gibt immer nur ein Vorwärts.
[00:12:49] Speaker B: Ja, wenn du so erzählst von den Prozessen, kriegt man schon so ein bisschen Gefühl dafür, dass es ja auch wirklich eine große Verantwortung oder auch einen schon auch ganz schön in Beschlag nehmen kann, in solchen Teams mit den verschiedenen Kompetenzen zu jonglieren, die richtigen Briefings reinzugeben, für den richtigen Kommunikationsfluss zu folgen. Man denkt jetzt erst mal in so einer Position chief Creative Office, da denkt man natürlich erst mal an maximale Gestaltungsfreiheit, aber da schwingt ja auch schon viel, viel Verantwortung mit. Wie gelingt dir denn dieser Spagat zwischen Management, Strategie, Kreativität?
Das ist ja schon sehr fordernd.
[00:13:31] Speaker A: Da gibt es verschiedene Aspekte.
Es gibt natürlich immer das Thema der Freiheit, das ist ein wichtiges Element. Aber in meiner Rolle sehe ich das oft so, dass ich die Freiheit sozusagen ermöglichen muss, und zwar den Gestaltern, den Designern, den Entwicklern auf der operativen Ebene. Da muss man sich natürlich auch bewusst zurücknehmen, um eben genau diese Freiheit, diese Sicherheit den Kollegen auch zu geben. Und da gibt es verschiedene Techniken sozusagen, wie man das macht, wie man den Gestaltern diesen Raum gibt, auch den sicheren Raum sozusagen, auch um Dinge zu experimentieren.
Ich sehe mich da in gewisser Weise sozusagen als primus inter pares, wenn man so will, in so einem Kreativkontext und eben auch in diesen Kreativ Reviews.
Wir machen das in einem System, das wir so bisschen auch von Pixar übernommen haben, mit dem sogenannten Brain Trust, wo die jeweiligen Kreativteams in einem de facto wöchentlichen Format sich vertrauensvoll austauschen können. Also die Brains sozusagen, die kreativen Köpfe und der Trust, das Vertrauen ineinander.
Und das passiert tatsächlich ohne den Kunden, beziehungsweise auch ohne das technische Management. Das heißt, da geht es wirklich darum, sich beratend, austauschend im Projekt weiterzuentwickeln. Und da gibt es auch keine negative Kritik im klassischen Sinne, sondern das ist alles ein was wäre. Und ja, und wenn auch im kreativen Austausch.
Und das ist dann tatsächlich in so einer Arbeitswoche dann auch so aufgeteilt, je nachdem auch wo die Teams geografisch sitzen. Da ist dann klassischerweise ein Montagnachmittag der Architektur gewidmet, eben auch um die Brücke zu Miami zu schaffen und zwischen Miami und Turin. Und genauso gibt es dann einen speziellen Tag für das Thema Autodesign und für die anderen Disziplinen. Und das hilft uns natürlich sozusagen diesen Freiraum uns auch immer wieder zu erobern oder neu zu verteidigen.
Das ist ein Aspekt davon.
Ein weiterer Aspekt ist sicher in meiner Rolle auch sozusagen eine Art Brücke zu bilden zwischen den Disziplinen. Auch dafür zu sagen, dass diese silos, die natürlich immer ganz natürlich entstehen, in jeder Gruppe, in jeder Firma, zwischen jeder Etage, die bisschen aufzubrechen, dass wir untereinander voneinander lernen können. Das heißt, dass auch ein Architekt in der Innengestaltung lernt, was bedeutet eine aerodynamische Anforderung im Autodesign, dass ein Produktdesigner mal gehört hat, was passiert im CMF, dem Autoinnenraum oder in einem Yacht Interieur. Dieser Austausch ist auch ein wichtiger Aspekt davon.
Und dann sind natürlich die zwei anderen Aspekte, die wir schon ein bisschen angesprochen haben, eben so eine Art Architekt einer Gesamtstrategie für diese kreativ, für eine kreative Abteilung inklusive der corporate identity, soweit das eben auch anwendbar ist für eine Agentur wie unsere und auch immer ein Botschafter für die Kreativteams und für die Marke zu sein. Das heißt, das heißt auch viel reisen, messen, Events, Kundenbesuche und eben auch in der Kommunikation tätig zu sein. Also das sind so ein bisschen die Aspekte von dieser Rolle chief creative Officer.
Und ich glaube, wenn man es bisschen ganzheitlicher sieht, ist es sicher auch Teil von einer Bewegung, wo Design als Disziplin natürlich heute ernster als früher oder ernst genommen wird, eben als fundamentaler Bestandteil von einem erfolgreichen Unternehmen.
Und das ist sicher auch ein Zeichen der Veränderung im Design, eben weg von der Idee des Formschöpfers, des Formgebers, als wenn man so will, als solitären Akt der Definition von Geometrien, hin zu einem Team Effort, hin zu einem ganzheitlichen Ansatz.
Und ich glaube, das sieht man natürlich auch, wenn man so will, im Customer Journey. Das heißt, ein Kunde erlebt ja auch ein Produkt oder eine Marke viel ganzheitlicher und ist viel anspruchsvoller.
Das heißt, es geht natürlich ums Produkt, um die Form, um die Farbe, ums Material, aber natürlich auch um die ganzen digitalen Interfaces. Es geht im Auto um das Aufstartverhalten von Leuchten z.B. oder um das Ladeerlebnis oder die Einbettung in die ganze digitale Infrastruktur.
Und auch die ganzen ersten Kontakte in der Kommunikation mit einer Marke passieren natürlich auch auf digitaler Ebene. Das heißt, das ist viel breiter geworden dieses Tätigkeitsfeld selbst nur im Autobereich, wo eben ein Designer, eine Designabteilung tätig sein müssen. Und ja, dadurch gibt es eben dieses Thema Gesamterlebnis und das spiegelt in gewisser Weise eben diese Rolle des chief Creative Officers oder des chief Design Offices in seinen ganzen Facetten wieder.
[00:18:39] Speaker B: Dieses Gesamterlebnis, natürlich was, was hoch emotional ist und auch im Gestaltungsprozess spielt wahrscheinlich so was wie einfach mal so ein Bauchgefühl, auf das man vielleicht ab und zu mal hören mus, ja eine große Rolle. Ich finde diese Arbeitsweise ganz spannend, dass sozusagen die Kreativen sich im Kämmerlein einschließen und mal einfach nur unter sich da sprechen. Hast du denn das Gefühl, dass so Intuition, Bauchgefühl noch denselben Stellenwert haben wie früher? Verändert sich da vielleicht gerade was, vielleicht auch mit zunehmender Erfahrung?
[00:19:16] Speaker A: Ich glaube, die Intuition wird gerne unterschätzt.
Es wird gerne abgetan als ja, das ist ja nur ein Gefühl oder nur ein Bauchgefühl. Und ich glaube, das ist unglaublich wichtig, die Intuition ernst zu nehmen und das auch bewusst als Gegensatz zu diesen ganzen rationalen Mechanismen, die auch wichtig sind, zu sehen. Das heißt, man spürt als Mensch sehr viel im Bauch. Also man spürt intuitiv, das ist richtig, das ist nicht richtig.
Man weiß auch oft gar nicht warum. Das braucht dann eben ein bisschen stärkere intellektuelle Analyse. Aber die Intuition ist wahnsinnig wichtig. Also Dinge müssen sich richtig anfühlen und die sind dann meistens auch richtiger, besser, kohärenter. Und das erfordert natürlich dann viel Mut, dann auch zu seiner Intuition zu stehen und auch dazu zu stehen, dass es eben aus der Intuition kommt und eben nicht nur aus den Fakten oder aus einer Ableitung von der Marktanalyse, die faktisch richtig sein mögen, aber intuitiv und vielleicht in die Zukunft blickend dann vielleicht nicht gut genug sind oder nicht gewisse Elemente einfach auch nicht beinhalten.
[00:20:25] Speaker B: Würdest du denn sagen, dass dann so eine zunehmende Erfahrung oder dann auch im Hintergrund so einen Werdegang wie du zu haben, dann dabei hilft, auch einfach mal so eine intuitive Entscheidung zu rechtfertigen vor so einem Management Board z.B. oder vor einem Kunden?
[00:20:44] Speaker A: Es hilft natürlich, weil man sich damit lange Zeit beschäftigen muss. Es funktioniert natürlich auch nicht immer.
Es ist immer ein Tanz und zum Tanzen braucht es immer Partner und das gelingt manchmal in der Überzeugung auch nicht immer. Manchmal gibt es tatsächlich andere Fakten, die dann sozusagen gegen eine auf den ersten Blick vielleicht intuitiv richtigere Lösung sprechen. Aber das ist gar nicht so schwarz und weiß. In vielen Fällen ist es auch die Auseinandersetzung und das sind ja auch oft Entscheidungsketten, die nicht immer nur an einem einzigen Tag, in einer einzigen Sitzung passieren.
Und ich glaube, das gilt es auch zu kommunizieren, eben diese Intuition.
[00:21:34] Speaker B: Ja, lass uns doch ein bisschen tiefer in deine gestalterische Denkweise eintauchen. Jetzt mal jenseits von Funktionen und Prozessen. Was würdest du denn sagen?
Ihr arbeitet an Autos, Möbeln, Architektur, Yachten. Du hast ja schon ein kleines Spektrum genannt. Was verbindet für dich denn das, was man gutes Design nennt, über all diese Disziplinen hinweg?
[00:21:57] Speaker A: Gutes Design ist natürlich schwer zu definieren.
Für uns ist gutes Design natürlich immer ein relevantes Design. Das heißt, es muss natürlich für unseren Kunden grundsätzlich funktionieren. Das heißt, wir sind in der Dienstleistungsbranche und wir brechen das manchmal mit einer Formel auf die klarstmögliche Darstellung herunter. Wir nennen das eben Beauty tech Equals Impact.
Das heißt, grundsätzlich ist eben Design relevant und der Erfolg von Design ist natürlich dann auch unser Erfolg. Das heißt, daher bauen wir das auf. Und wenn du eben Beauty und tech sagst, dann steckt natürlich im Thema Beauty Beleza, die Schönheit drinnen.
Und Pini Furino hat sicher das Glück, aus einer italienischen Kultur und Geografie und Tradition zu kommen, wo immer eine Art natürliches Gespür für schlichte und elegante und schöne Formen einfach natürlich in den Köpfen, in den Händen vorhanden ist. Die Engländer sagen interessanterweise zu diesem Gefühl dieser natürlichen Ästhetik auch Sprezatura. Das ist ein altes Wort, das in Italien selbst oft kaum verwendet oder bekannt ist.
Und es drückt sozusagen eine Art Nonchalance aus, wo man das kommt aus dem Theater oder aus der Musik eigentlich, wo eben ein gut eingespielter Musiker oder Schauspieler ohne nachdenken zu müssen, ohne sichtbare Anstrengungen eben Höchstleistungen vollbringen kann. Und das ist sozusagen ein Grundverständnis von Schönheit, von schlichter Schönheit, zeitloser Schönheit schlussendlich, das aus der Übung kommt, aus dem eingespielten Team Play kommt.
Die zweite Komponente ist natürlich tech.
Und auch hinter dieser Hülse tech verstecken sich ja auch zwei einerseits die Technologie, das heißt die technologische Entwicklung und die Technik im Sinne von Technik, im Sinne von Methode. Das heißt, da ist einerseits die Innovation, die für eine fortschrittliche Gestaltung unumgänglich ist. Da hat auch unser Paolo Pinifarina dazu gesagt design is the tool to humanize innovation. Das heißt, diese Art von von Technologieoffenheit ist unglaublich wichtig für uns.
Und andererseits ist auch der Designprozess dahinter. Das heißt, unsere Technique of Developing ist da sehr relevant. Das heißt, auch hier ist die Erfahrung, die aus den verschiedenen Disziplinen kommt, relevant, um dann eben diese beiden Elemente gemeinsam für relevante impactful products, wie man auf Neudeutsch sagen würde, auch als Ergebnis garantieren zu können.
[00:24:45] Speaker B: Du hast mal gesagt, Design sei nicht demokratisch. Heißt das für dich, dass diese gute Gestaltung, über die wir gerade schon gesprochen haben, nicht unbedingt im Konsens entsteht, sondern eher es wichtig ist, dass es eben diese klare Haltung gegen Kompromisse gibt?
[00:25:05] Speaker A: Ich kann mich an das Statement nicht genau erinnern, aber es ist es ist natürlich ein Widerstreit zwischen verschiedenen Elementen und Teile davon sind demokratisch. Also im Gestaltungsprozess ist auch der Austausch sehr, sehr wichtig.
Aber es geht immer darum, Entscheidungen zu treffen und diese Entscheidungen müssen klar getroffen werden.
Und je klarer sozusagen eine Firma oder ein Entwicklungsteam oder eine Marke entscheiden kann, desto stärker wird auch die Identität, desto stärker ist normalerweise der Ausdruck, desto klarer ist auch die Botschaft schlussendlich beim Endkunden.
Darum ist es glaube ich, eine Mischung zwischen unter Anführungszeichen demokratischen und klar auf wenige Personen reduzierte Entscheidungsprozesse, wenn man so will.
Ist natürlich ein schwieriges Wort, speziell in der heutigen Zeit ist das Thema demokratisch natürlich mit vielen Bedeutungen verbunden, aber ich glaube, es geht darum, wirklich mutig Entscheidungen treffen zu können, auch zu denen zu stehen. Und das ist, glaube ich, in gewisser Weise die Krux unserer Zeit, dass wir wahnsinnig viele Informationen bekommen, vielleicht zu viele Informationen bekommen und uns sozusagen teilweise dann auch verlieren in der Analyse dieser ganzen Informationen, um eigentlich schlussendlich fast schon zu vermeiden, echte Entscheidungen zu treffen. Und ich glaube, Entscheidungen sind wahnsinnig wichtig, weil es eben ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr die Fakten selbst, Informationen, die Daten selbst die Entscheidung für uns treffen, sondern wir müssen mehr als je zuvor wichtige, große Entscheidungen selbst treffen.
Und das ist so ein bisschen das Risiko zurzeit, das zu vergessen.
[00:26:52] Speaker B: Ich fand es vor allem natürlich spannend in der Vorstellung, was das in der Korrelation mit Designer und Endkunden miteinander zu tun hat. Eben die Vorstellung davon, dass man vielleicht eine gewisse Vorstellung von einem, von einer Endkundenmeinung hat, die so vielleicht gar nicht mal so zutreffend ist oder vielleicht gewisse Bedürfnisse oder auch Trends schon rausliest, die noch gar nicht mal so präsent sind bei einem Endkunden.
Das fand ich insofern natürlich spannend, welche Macht oder welche Möglichkeiten ein Designer, eine Designerin da hat.
[00:27:34] Speaker A: Das ist ein spannendes Thema und das ist auch unterschiedlich in verschiedenen Disziplinen. Das heißt, du hast natürlich allein durch die unterschiedlich langen und tiefen Entwicklungszeiten auch einen ganz anderen Abstand zum Endkunden oder zur Markteinführung von einem Produkt. Das heißt, man muss in manchen Disziplinen noch weiter intuitiv, noch weiter datenbasiert in die Zukunft blicken als in anderen Bereichen.
Im Produktdesign sind die Entwicklungszeiten tendenziell kürzer als in der Architektur und im Auto. Das heißt, man kann da vielleicht doch näher am Kunden arbeiten, über Kundenbedürfnisse sich sehr, sehr viel und sehr tiefer damit auseinandersetzen als Gestalter, als Entwickler.
Wenn es diese langen Abstände gibt, wie eben im Autobereich, wo doch Jahre ins Land gehen, bis ein Produkt im Markt angekommen ist, kann man das natürlich nicht alles über Fakten abklären. Man kann schlussendlich nicht sicher in die Zukunft blicken. Wir erleben das ja, glaube ich, auch in den letzten Monaten extrem, diese Volatilität, diese Geschichtsoffenheit, wo man einfach Dinge nicht voraussehen kann. Und das ist umso wichtiger, glaube ich, seine eigenen Werte als Marke, als Firma, auch als Gestalter gut zu definieren, auch immer wieder zu überdenken, um dann mutiger arbeiten zu können. Aber um auf das Thema zurückzukommen, diese Auseinandersetzung mit dem Endkunden ist für den Gestalter unglaublich wichtig. Das heißt, diese Auseinandersetzung zu verstehen, welches Problem gibt es denn grundsätzlich zu lösen, ist sehr, sehr wichtig. Gute Gestaltung löst immer ein Problem schlussendlich. Und im Produktdesign ist es wahrscheinlich als Mechanismus am klarsten definiert. Mit Customer Journeys, mit Stakeholder Mappings sind die Prozesse sehr, sehr klar und auch relativ etabliert. Im Autodesign ist es oft so, dadurch, dass wir in der Autoindustrie in einer hyperstrukturierten Entwicklungslandschaft leben, das heißt, es gibt ja dutzende Experten für Ergonomie, für Aerodynamik, für Zulassung, für Homologation, für Marketing, für Vertrieb, für Produktqualität, für Perceived Quality. Das ist ja auf einem unglaublich hohen Niveau. Und da ist dann diese grundsätzliche Welches Problem löse ich denn eigentlich?
Tritt manchmal tatsächlich in den Hintergrund. Das ist auch ein Problem, auch wenn natürlich dadurch tolle Produkte auf unglaublich hohem Niveau hervorkommen. Aber man geht vielleicht manchmal wirklich an der echten Kundenproblematik verändert dabei.
[00:30:16] Speaker B: Um den Blog über deine Designphilosophie abzuschließen, gibt es denn ein Design, das du bewunderst, obwohl, wenn man da jetzt rein analytisch draufschauen würde, gegen all deine Designprinzipien verstößt?
[00:30:31] Speaker A: Es gibt immer Objekte, die einen verblüffen, weil sie so unerwartet sind oder weil sie so konsequent in eine andere Richtung denken. Und das freut mich dann natürlich immer sozusagen überrascht zu werden. Das ist schon mal grundsätzlich sehr positive Sache.
Es gibt Objekte, die einfach so eigenständig sind. Also ich denke jetzt historisch gesehen an Autos auch wie Citroën DS z.B. da gab es kein Vorbild und es gab nie einen Nachfolger, weil das Ding so eine ureigene Ausprägung und Mischung von technischen Formen, natürlichen Formen, aerodynamischen Formen, handwerklichen Formen, dass da eine ganz eigenständige, eine ganz originelle Lösung rausgekommen ist. Solche Sachen schätze ich natürlich sehr. Und da gibt es sehr viel gute Gestaltung heute, vielleicht heute mehr als je zuvor, wo Dinge grundsätzlich gut gemacht sind, wo jede Regel sozusagen befolgt wird, wo vielleicht aber dann auch die Seele bisschen fehlt, weil dann genau dieses Element, das ein Ding einzigartig macht, das ein Angebot außergewöhnlich macht, natürlich auch fehlt. Das heißt, so sehr ich sozusagen ausgewogene, zeitlose, perfekte Gestaltung natürlich schätze, ist das Element der Eigenständigkeit immer ein wahnsinnig wichtiges Element. Würde ich sogar in vielerlei Hinsicht höher einstufen als die perfekte Anwendung von Regeln, wenn man so will.
[00:32:04] Speaker B: Ja. Also hat Retro doch manchmal eine Chance bei dir?
[00:32:08] Speaker A: Retro ist.
Es gibt gut gemachtes Retro, kein Zweifel.
Ich habe da eher ein philosophisches als ein ästhetisches Problem. Also man sieht natürlich, die Handwerklichkeit von einem gut gemachten Retro ist schon beeindruckend. Da gibt es auch Elemente der Ironie oder es gibt charmante Elemente.
Das muss natürlich wirklich außergewöhnlich gut gemacht werden, gemacht sein, dass es überhaupt relevant ist. Und da gibt es gute Beispiele dafür.
Auf einer höheren Ebene ist es natürlich auch immer ein Zeichen von einer gewissen Krise. Das heißt, es fehlt einer Marke, es fehlt dann auch dem Konsumenten natürlich den Mut, sich was Neues zuzutrauen, was Neues zuzulegen. Das heißt, man muss dann auch überlegen, warum ist dieses Retro relevant, warum ist das charmant, warum schwingt da eine Nostalgie mit, schwingt da einen Wiedererkennungswert mit?
Wie gesagt, ich habe da hohen Respekt davon, wenn das handwerklich gut gemacht ist.
Und in mancherlei Hinsicht sind wir auch in einem Moment, wo Marken, die sich neuer Konkurrenz ausgesetzt sind, die eben sehr bewusst in die Zukunft gehen, Startups, die keinen Heritage haben, plötzlich sehr erfolgreich sind. Da gibt es dann tatsächlich Firmen, die dann ganz bewusst sagen, wir haben charismatische Produkte aus der Vergangenheit. Man denkt jetzt an den Renault fünf z.B. der dann wirklich sehr relevant neu interpretiert wird, mit einem gewissen Echo aus der Vergangenheit, die aber unglaublich modern neu übersetzt werden. Also das wäre z.B. ein Beispiel für mich, wo ich sage, das hat Elemente von Retrodesign, das funktioniert aber auch ohne dem Vorbild. Und dann ist es, glaube ich, qualitativ auch wieder ein relevantes Produkt, wenn es ohne dem Vorbild auch Bestand hat in der heutigen Zeit.
[00:34:03] Speaker B: Ja, wenn wir über Design sprechen, dann müssen wir auch über Wandel sprechen. Denn kaum ein Bereich verändert sich ja gerade so sehr wie der Bereich Automobil und auch Automobildesign. Du hast auch mal in einem Interview gesagt, Brand over Product verliert an Bedeutung aktuell.
Was beobachtest du da gerade konkret? Was bedeutet das gerade für die Gestaltung von Autos?
[00:34:30] Speaker A: Ich glaube brand over product, wenn man so ein bisschen zurückblickt in die Geschichte, gab es natürlich Zeiten, wo das Autodesign sich wahnsinnig schnell verändert hat und wo die Veränderung stärker war als Gesamtindustrie, als die Treue zu einem Markenbild. Also wenn man an die er er er Jahre denkt, hat jede Marke, jedes Produkt sozusagen versucht, so viel Fortschritt wie möglich einzuarbeiten.
Das hat natürlich zur Folge gehabt, dass viele Firmen oder viele Generationen von einer, viele Generationen von Produkten, von einer Generation zur nächsten wenig wiedererkennungswert hatten. Man denke auch an Citroen z.b. aber auch an viele amerikanische Marken in den ER Jahren, wo jedes Jahr tatsächlich ein neues Modell mit neuer Gestaltung herausgekommen ist. Und da war natürlich eine Marke nicht mehr wiedererkennbar. Wir haben in den letzten Jahren, vielleicht so ab den er Jahren, sehr viel mehr Markt Dominanz in die Gestaltung reingebracht. Das heißt, man hat dann definiert, Mercedes war dann klarer Pionier mit Affinitäten und horizontalen Ähnlichkeiten, vertikalen Verbindlichkeiten in die Vergangenheit, in die Zukunft hinaus. Und das war auch sehr erfolgreich. Also man erkannte dann tatsächlich eine Marke über mehrere Produkte hinweg. Wir sind aber glaube ich heute in gewisser Weise an so einer Art Endpunkt angekommen von dieser Marke, die überdefiniert. Das heißt, wir sehen viele Marken, wo sozusagen, dass die oberflächlichen Markenmerkmale, die Erkennungsmerkmale zu abgesehen sind, wenn man so ein Wort verwenden kann, überbenutzt sind und dadurch eigentlich an Bedeutung verloren haben. Das heißt, wenn es dann sozusagen nur noch eine Collage an Markenmerkmalen sind, weil es muss am Grill dieses Element sein, es muss das Logo hier positioniert sein, es muss diese Gürtellinie so ausgeprägt werden, es muss diese Heckleuchte, diese Aussage haben, dann entsteht in gewisser Weise eine Art Magen nach Zahlen und im schlimmsten Fall eben auch ein Overbranding, wo dann indirekt oder zwischen den Zahlen eigentlich die Botschaft ich muss sozusagen meine Marke, jedes Element mit meiner Marke versehen, weil ich sozusagen nicht mehr in die Produktsubstanz selbst vertraue.
Und ich glaube, das ist das Risiko von vielen Marken, die dadurch, dass Produkte, Produktsubstanz in vielerlei Hinsicht austauschbarer geworden ist, in Overbranding gegangen.
Das heißt, jedes Element, jedes Detail hat ein Markenlogo im Element.
Jede Felge, jeder Kühlergrill, jeder Türgriff, jede Textur.
Das ist einfach zu viel. Man sieht es auch in der Mode, sehr starke Marken bewegen sich weg von diesem Overbranding. Ich glaube, das sollten wir auch als Gestalter wieder mitnehmen. Sozusagen Mut zu Clownbotschaften, zu weniger Branding, kleineren Markenbotschaften und eben stärkeren Grundausdrücken.
[00:37:38] Speaker B: Das bedeutet also, Design sollte aus deiner Sicht wieder etwas differenzierender werden, also gleichzeitig subtiler, aber stärker.
Kann man sowas, wie kann man das erreichen?
[00:37:53] Speaker A: Ich glaube, ein starkes Produkt sollte ohne Logo erkennbar sein. Man musste natürlich definieren, was bedeutet Erkennbarkeit?
Ist es sozusagen eine wirklich spitz aufgestellte Marke, die sehr wenige Kunden sehr subtil anspricht? Also da gibt es den Begriff des quiet luxury, z.B. loro piana ist ja immer ein gern zitiertes Beispiel dafür, wo die ganze Produktphilosophie um das Thema if you know, you know aufgebaut wird.
Das ist vielleicht ein sehr spitzes Beispiel, aber ich glaube, dass eine Grundaussage, eine Silhouette, eine Proportion nach wie vor sehr wichtig ist. Und es ist auch die Eigenständigkeit bewusst sich zuzutrauen. Wir bringen eigenständige Lösungen als Marke in die Gestaltung, im Innenraum, im Exterieur, auch in die Materialität rein, um uns bewusst zu entscheiden, um bewusst aus unserer Überzeugung zu arbeiten.
Ich glaube, das ist nach wie vor leistbar. Es ist nicht einfach. Es gibt genug Elemente, die sozusagen für eine Homogenisierung sprechen. Homologation, Aerodynamik im Exterior Design, sicherheitsrelevante Themen, Ergonomiethemen. Darum ist es, glaube ich, mehr als je zuvor die Aufgabe einer Kreativabteilung, eines Gestalters, diese Freiräume, diese Eigenständigkeit zurückzuerobern, gegen die Entropie quasi anzukämpfen.
[00:39:22] Speaker B: Du arbeitest ja tagtäglich an Ideen, die erst in 1515 Jahren sichtbar werden. Wie fühlt sich das für dich anständig an, die Zukunft zu denken?
[00:39:34] Speaker A: Das fühlt sich manchmal so ein bisschen.
[00:39:35] Speaker B: An wie.
[00:39:38] Speaker A: In der Zeit zu reisen. Das heißt, ich denke, als Designer sind wir relativ geübt, zwischen verschiedenen Zeitpunkten zu reisen, uns zu bewegen.
Es gibt ja den Ausdruck oder dieses Zitat von William Gibson, dem Science Fiction Writer, der gesagt hat, the future is already here, it's just not evenly distributed. Das heißt, selbst in einer Firma ist natürlich der Zeithorizont in den verschiedenen Abteilungen ganz anders. Das heißt, die Designabteilung ist tendenziell vielleicht mit der Vorentwicklung relativ weit in der Zukunft, im Ungewissen, in den weak signals, während die Marketingabteilung, die Kommunikationsabteilung sehr, sehr konkret im Heute und im jetzt ist. Während z.B. die Abteilung, die um Reparaturfähigkeit und Recycling kümmert, heute und im Gestern operiert. Das heißt, man muss immer auch innerhalb von einer Firma diese Spannung von 15, manchmal 20 Jahren im Kopf sozusagen bewusst miterleben. Das heißt, man muss dann, wenn man so will, sich in seine Zeitmaschine setzen und in die richtige Zeit, an den richtigen Ort, im richtigen Meeting mit den richtigen Leuten kommunizieren. Das ist nicht immer einfach, aber ich glaube, als Designer haben wir diese Gewohnheit, in der Zukunft in gewisser Weise zu Leben und auch die Brücke zur Gegenwart immer wieder herzustellen.
[00:41:07] Speaker B: Wie schaffst du das persönlich? Gibt es da gewisse Momente, Orte, Routinen, mit denen du dich wieder zurück in die Gegenwart bringst?
[00:41:15] Speaker A: Die Gegenwart holt einen immer ein. Also die ist ja nicht weg.
Ich glaube, es ist sozusagen ein sich wohlfühlen in verschiedenen Zeit Momenten. Also einerseits auch bewusst zu verstehen, was bedeutet eine Vergangenheit, eine nahe Vergangenheit, auch um Abstände zu verstehen. Ein Beispiel aus dem Autobereich ist ja, wenn man sich mit dem 20. Jahrhundert beschäftigt, da gibt es ja unglaublich viele Referenzen, die wir bis heute immer wieder in die Mid Century, in die er, in die er Jahre zu zurückbringen.
Und dann ist natürlich immer wichtig zu verstehen, warum ist das so eine wichtige Zeit? Warum sind wir selbst nach 60, 70 Jahren immer wieder fasziniert an diesem Zeithorizont, wenn tatsächlich in der damaligen Zeit das ja nicht passiert ist. In den ERN hat man nicht 50, 60 Jahre in die Vergangenheit geguckt. Das war ja technisch irrelevant, was da passiert ist.
Und ich glaube, diese Beschäftigung mit Zeitabständen hilft einem dann, sich damit wohlzufühlen, dann eben auch zu wir müssen uns jetzt ganz bewusst verändern. Wir müssen da einen Schnitt setzen, wir müssen uns weiterentwickeln, weil uns auch die Vergangenheit das immer wieder lehrt. Stillstand ist ein Rückschritt in vielerlei Hinsicht.
Und das größte Risiko in vielerlei Hinsicht ist eben, sich nicht zu verändern und kein Risiko einzugehen. Darum ist die Zeitachse sicher die interessanteste Achse in der Ästhetik und im Design Betrieb.
[00:42:49] Speaker B: Und wir sind auf unserer Zeitachse leider schon am Ende angekommen. Lieber Felix, vielen Dank für das offene, inspirierende Gespräch über Form freiräume und auch den Mut, sich nicht dem Einheitsbrei anzupassen. Es war spannend zu sehen, wie du Design als Haltung verstehst und auch über das rein Visuelle hinausgehst. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, und ich wünsche dir und deinem Team weiterhin alles Gute. Vielen Dank.
[00:43:17] Speaker A: Dankeschön, Tima. Tolles Gespräch, hat Spaß gemacht.
[00:43:23] Speaker B: Das war die heutige Episode des Chapter Talks Podcast. Mein Name ist Timo Schmid und ich bedanke mich im Namen des gesamten Chapter Teams fürs Zuhören. Wir würden uns freuen, wenn sie unseren Podcast Kanal abonnieren, teilen und kommentieren. Regelmäßige Updates und multimediale Features rund um die Themen Design, Innovation und Mobilität finden sie auf und auf Instagram. Dort finden sie uns unter Chapter Magazine.